Nach ihrem Schlaganfall sagten die Kinder-wir suchen für dich ein Heim ,denn wir sind dermaßen im Beruf eingespannt daß wir uns nicht um dich kümmern können.
So zog sie recht zügig nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in dieses Heim von dem die Kinder behaupteten- es ist recht günstig und die Kosten werden durch Rente und Pflegegeld gedeckt und ein kleines Taschengeld hast du auch noch zur Verfügung für deine Wünsche.
Dein Erspartes muß nicht angetastet werden.
Ja, sagte sie sich und ihr schaut schon zu, daß nicht zuviel vom Erbe verloren geht !
Das Heim war recht einfach und die Möbel wirkten schäbig, die Fliesen des Badezimmers waren abgestoßen und die Gardinen waren farblich aus einer anderen Epoche.
Die gestreifte Bettwäsche erinnerte sie an das Krankenhaus, die Spannbettlaken hatten noch lichte Flecken die durch die Wäsche nicht vollständig rausgegangen waren und das Geschirr war von einem schlichten Einheitsweiß mit abgestoßenen Kanten.
Sie hatte immer viel Wert auf geschmackvolle Bettwäsche gelegt und passendes Geschirr zu den Speisen.
Aber du willst dich nicht beschweren Magda Winter, du hattest ein schönes Leben und einen großzügigen Mann und in den letzten Jahren zehren alte Menschen eh von der Vergangenheit.
So kam Weihnachten heran und am 4.Advent gab es abends Punsch, denn morgen war Heilig Abend.
Die Pfleger paßten nicht auf und so trank sie drei Gläser Punsch hintereinander.
Sie fühlte sich leicht und beschwingt wie schon lange nicht mehr. Der Pfleger zog ihr das Nachthemd an und hob sie vom Rollstuhl ins Bett. Sofort sank sie in einen tiefen Schlaf.
Sie saß in einem gemütlichen Lehnstuhl und die Enkel spielten zu ihren Füßen. Sie trug ihr Lieblingskleid aus fließendem Chiffon und dazu den Schmuck von ihrem Mann.Die Haare waren frisch onduliert und sie fand sich schön wie schon lange nicht mehr.
Die Schwiegertöchter scherzten in der Küche und die Söhne bereiteten das Weihnachtszimmer vor.
Ein Glöckchen erklang und das festlich gedeckte Weihnachtszimmer verströmte einen unglaublichen Duft nach Gänsebraten und Rotkohl mit Klößen.
Sie nahmen am großen Eßtisch Platz und die Schwiegertöchter verteilten das Fleisch der knusprigen Gans und reichten Rotkohl und Klöße herum.
Die Söhne entkorkten den Wein und man prostete sich fröhlich zu. Sie wünschten sich ein frohes Fest und gute Wünsche für das neue Jahr. Nach dem üppigen Mahl verteilten die Schwiegertöchter die Dessertteller mit ihrer Lieblingsspeise aus verschiedenen Sorten Mousse mit Eis und Himbeeren, etwas Sahne zum Verzieren. Mit Kakao waren Sterne über das Dessert verstreut.
Nach dem Essen wurden die Enkel unruhig, denn jetzt geht es sicher gleich ins Weihnachtszimmer mit dem großen geschmückten Baum.
Ein Lied wurde angestimmt und endlich, endlich gab es die Geschenke. Die Enkel spielten bis Mitternacht und den Abschluß des Abends bildete der Bratapfel und der Punsch.
Sie war so glücklich als plötzlich die Tür geöffnet wurde und der Pfleger sie in die Wirklichkeit zurückholte.
Sie wischte sich die Augen und dachte- ja, sicherlich solche Dinge passieren nur im Traum, dies hier war die Wirklichkeit! Ein gestreßter Pfleger der heute lieber frei hätte als alte Leute zu waschen. So ging die Morgenversorgung auch ziemlich wortkarg von statten und als er ihr zu ihrem karierten Rock die geblümte Bluse anzog protestierte sie nicht.
Ihr schönes Kleid war sicher schon im Secondhandshop und der Schmuck bei Bares für Rares versteigert.
Nein, sie wollte sich nicht beschweren, denn sie hatte ein schönes Leben gehabt mit ihrem Ehemann und alte Leute leben eh meistens in der Vergangenheit!
